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Soundcheck - Melle - Blog

14 Februar 2012

Intro vor 20 Jahren in Melle gegründet - Erst belächelt, jetzt auflagenstärkstes, unabhängiges Popmagazin in Deutschland

Vor zwanzig Jahren lautete die Meller Postleitzahl noch 4520, als am 1. Januar 1992 die erste Ausgabe des Musikmagazins Intro in der Dratumer Straße 10 das Licht der Welt erblickte. „Intro ist einfach anders oder das soll es zumindest sein!“ war sich Gründer und Herausgeber Matthias Hörstmann zu der Zeit im Vorwort sicher. Die Auflage damals: 8.000 Exemplare. Im Jahr 2012 angekommen, hat sich nicht nur die Musikzeitschrift mit fast 125.000 gedruckten Heften als auflagenstärkstes unabhängiges Gratis-Musikmagazin in Deutschland etabliert, auch Hörstmann selbst baute sich im Laufe der letzten Jahre mit diversen Geschäften und Gesellschaften seine eigene Unternehmensgruppe auf.

Das clever vernetzte Medienunternehmen des Meller Pop-Moguls residiert, nachdem es den heimischen Bauernhof verlassen und Zwischenstation in Osnabrück gemacht hatte, mittlerweile in Köln. Die Redaktionsräume sind in einem Gebäude mit Stadtgeschichte untergebracht. Der alte Firmensitz des legendären Duftwassers 4711 in Köln-Ehrenfeld wurde zu einem Zentrum der Kreativ- und Musikbranche umgebaut und beherbergt mittlerweile fast 50 Firmen mit über 200 Kreativen. Mit dabei ist auch die Intro GmbH & Co. KG von Matthias Hörstmann.

Landwirt
Der ist staatlich geprüfter Landwirt und ließ als Musikfanatiker, Veranstalter und DJ die heißesten Songs in angesagten regionalen Alternative-Diskotheken wie dem Hyde Park, Forum Enger, Works oder Fiz Oblon rotieren. Der stellvertretende Intro-Chefredakteur Linus Volkmann schrieb einmal über ihn: „Matthias Hörstmann ist einer, wenn nicht der musikbewandertste Mensch, den ich persönlich je kennengelernt habe.“ Und so startete das Intro im Grönegau vom elterlichen Bauernhof in Dratum aus. Bei Hörstmanns traf man sich zur Redaktionssitzung im unfunktionierten Jugendzimmer oder in der Gartenlaube. Von dort aus wurden die Zeitschriften vom engagierten damaligen Vertriebsleiter Armin Bauer mit überladendem Auto quer durch Deutschland gekarrt und unter anderem in Plattenläden, Clubs und Kneipen ausgelegt. Als Geldgeber und somit auch als Herausgeber fungierte von Beginn an der Osnabrücker Gastrospezialist Martin Wüst (Fiz Oblon, Five Elements, etc.). Als der nach den ersten drei Ausgaben keine wirtschaftliche Perspektive mehr sieht und seine Unterstützung einstellt, sieht sich Matthias Hörstmann gezwungen, das Heft alleine weiterzuführen. Die fehlenden Geldmittel gleicht er aus, indem er beim lokalen Fischfutterhersteller Tetra im Schichtbetrieb ranklotzt. Rückblickend beschrieb sich Hörstmann in einem Interview mit dem Osnabrücker Stadtblatt als „besessen und getrieben“, nur so sei es zu erklären, warum er damals diese enormen Strapazen und finanziellen Risiken auf sich genommen habe. Ex-Intro-Layouter René Peters lebt noch immer in Osnabrück und ist hier mittlerweile für das Marketing der NOZ tätig. Er erinnert sich in einer Rückblende in der Intro aus dem Mai 2011: „Während der ersten Ausgaben führten wir alle ein Doppelleben: Matthias schrieb seine letzten Artikel während der Nachtschicht auf der Herrentoilette und ich habe nach der Arbeit bis morgens die Seiten auf meiner Apple-Pizzaschachtel gebaut.“

EC-Karten ausgereizt
Mit dem Umzug im März 1995 verlässt die Intro den Grönegau und siedelt im benachbarten Osnabrück an. Erstmals besitzt die Redaktion ein eigenes seriöses Büro und das Magazin wird professioneller aufgestellt. Mit Stephan Glietsch wird der erste Chefredakteur eingestellt und Matthias Hörstmann kann nun verstärkt die Fäden im Hintergrund ziehen. Bereits 1997 wird der zweite Verlagstitel ins Leben gerufen. Der Festivalguide ist mittlerweile mit 550.000 Exemplaren Europas auflagenstärkster Musiktitel und enthält alle Fakten der jährlichen Open Air Saison. Und auch die Konzert- und Partyreihe „Introducing“ wird ein Jahr später das erste Mal veranstaltet. Nicht immer verliefen die Starts optimal. So berichtete Linus Volkmann in einem Artikel auf intro.de, dass „die Introducing-Tour '99 einfach nur ein brillanter finanzieller Reinfall war“. Die Partys seien zwar gut gewesen, aber die Kasse hätte für die Auslagen, die noch am Abend ausgezahlt werden mussten, nicht ausgereicht. Hörstmann habe schließlich die EC-Karten der Mitarbeiter eingezogen und kurz vor und kurz nach Mitternacht und somit für zwei Tage die maximalen Auszahlungslimits ausgereizt. „Ich weiß wirklich nicht, was die Leute gedacht haben, als ich da am Automaten mit den ganzen Karten und Zetteln mit Geheimzahlen stand und immer noch mehr aus der Jackentasche zog“, wird der Intro-Boss in dem Artikel zitiert. Aber schon am nächsten Tag hatten alle Kreditgeber ih
r Geld wieder zurück.

Abschied nehmen
2000 dann der Abschied von Osnabrück und der Umzug in die Medienstadt Köln, die in einer internen Abstimmung als neue Heimat des Intro Verlags auserkoren wurde. Ein Jahr vorher absolvierte das Heft allerdings noch einen großen inhaltlichen und grafischen Relaunch, in dessen Zuge der damalige Chefredakteur Stephan Glietsch im Editorial betonte: „INTRO ist und bleibt Musikmagazin. Und schon, weil wir der Überzeugung sind, dass man Hardcore nicht nur im selbstgeklebten Fanzine-Layout präsentieren darf oder Indie hören und einen Kleiderschrank besitzen eben kein Widerspruch ist, werden wir keinem der Genres, derer wir uns angenommen haben, die Kündigung reichen.“
Durch den Umzug wächst das Team weiter, auch wenn Lektorin Kristina Engel weiterhin in Osnabrück zurückbleibt. Zur Jahrtausendwende verabschiedet sich außerdem Glietsch als Chefredakteur und macht seitdem Platz für Thomas Venker. Der ist bekennender Fan des VfB Stuttgart und steht als Director dem gesamten Media-Content-Bereich der Hörstmann Unternehmensgruppe vor. Neben vielen anderen Firmen sind das der Onlinemusikfernsehsender putpat.tv, das Sneaker Freaker Turnschuh-Magazin oder aber auch die etwas anderen Fußballzeitschriften 11 Freunde oder Bolzen.
Zum zwanzigjährigen Jubiläum präsentiert sich das Intro weiterhin innovativ und modern. Die Popkultur entwickelt sich rasend schnell und Hörstmann & Co wollen den Draht zur Zielgruppe nicht verlieren. So erscheint das Intro mittlerweile auch für das iPad, man kann online in alten Ausgaben schmökern oder sich in der Intro.de Datenbank mit Archivinfos versorgen.
Aber ein kleiner Wermutstropfen bleibt trotzdem: Die Intro-Printausgabe liegt in seiner Heimatstadt Melle bereits seit einigen Jahren nicht mehr aus. Die nächsten Auslagestellen sind erst wieder in Osnabrück oder Bielefeld zu finden.

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INFO 1:
Das Debüt
Bei 200 Ausgaben kann man schnell mal den Überblick verlieren. Auf www.intro.de/dasheft/1 kann das Premierenheft als PDF heruntergeladen werden, alle weiteren Hefte können nachbestellt, zum Teil auch nachgelesen oder Artikel in der großen Online-Datenbank recherchiert werden.
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INFO 2:
Unternehmensgruppe
Die Matthias Hörstmann Unternehmensgruppe, kurz HUG, versteht sich als „Kompetenznetzwerk für Popkultur“ und umfasst 20 Firmen und Marken. Neben den bekannten Zeitschriften Intro, Festivalguide, 11 Freunde oder Bolzen, gibt es das Bolzen Bier, Events wie das Melt!, Berlinfestival, Introducing, Splash, sowie weitere Unternehmungen, an denen Hörstmann mehr oder weniger beteiligt ist; nachzulesen auf www.hoerstmann.de.

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